Peter und Luise Hager-Preis 2019 – Widerstand


Ausstellungseröffnung und Preisverleihung im Rahmen des Hochschulrundgangs

01.02.2019 – 01.03.2019

Vernissage: 01.02.2019 19:00

Arbeiten von

Joanna-Melissa Crittendon, Catherine Duboutay, Julia Gerhards, Felix Gropper & Bernd Rosinski, Eric Heit, Anja Khersonska, Darja Linder, Shakti Paqué, Radion Rabovski & Sebastian Schuster, Esther Ramsbrock, Anica Seidel


Verantwortlich

Prof. Dr. Matthias Winzen


Wissenschaftliche Mitarbeit

Marion Cziba, Christian Richert

Peter und Luise Hager-Preis 2019 – Widerstand

Ausstellungseröffnung und Preisverleihung am 1. Februar, 19 Uhr, Galerie der HBKsaar, im Rahmen des Rundgang 2019 – Jahresausstellung der HBKsaar

1. Preis – Shakti Paqué, 2. Preis – Esther Ramsbrock, 3. Preis – Joanna-Melissa Crittendon

 

Aus der Begründung der Jury:

1. Preis: Shakti Paqué „LEKTION 8 (für Fortgeschrittene)“
Shakti Paqué gelingt es, das psychische und mimische-körperliche Erleben von Widerstand in die von ihr gefilmten Personen hinein zu verlegen. Ihre Ateliergäste sollten „Nein“ sagen und erfuhren erst kurz vor der Videoaufnahme, dass sie dabei nicken sollten. Während wir diese 41 Personen dabei beobachten, wie sie „Nein“ sagen und zugleich „ja“ nicken, überträgt sich deren innerer Widerstand in uns hinein. Manche der Gefilmten schaffen diese scheinbar einfache schauspielerische Übung nicht perfekt. Beim „Nein“-Sagen schütteln sie noch schnell den Kopf, anstatt wie verlangt zu nicken. Kindern gelingt der Gegensatz von Sprechen und gestischem Zeigen am schlechtesten. Sind die Erwachsenen mit mehr Lebenserfahrung die besseren Lügner? Wie sehr ist noch das scheinbar ehrlichste „Ja“ oder „Nein“ immer auch ein schauspielerischer Auftritt, eine Inszenierung von klarer Meinung, bei der man sich auch versprechen und verstolpern kann?
Durch die gelungene Reduktion und Konzentration ihres künstlerischen Versuchsaufbaus führt die Videoarbeit von Shakti Paqué ins innere seelische Zentrum allen Widerstands: nämlich dazu, „Nein“ zu sagen und gleichzeitig „Nein“ zu denken. Die spielerische Abweichung, dabei „Ja“ nicken zu sollen, stellt alle innere Eindeutigkeit von Denken und Sprechen in Frage. Shakti Paqués filmisch-performatives Nachdenken über die seelische Basis allen Widerstandes in jedem von uns kann als sehr gelungene künstlerische Grundlagenforschung verstanden werden.

2. Preis: Esther Ramsbrock „Die Möglichkeit auf der Seite gegenüber. Die Weiße Fahne“
Ein Mensch und eine Fahne: Die scheinbar einfache Zeichnung von Esther Ramsbrock signalisiert Widerstand gegen eine permanente Überforderung - nämlich gegen den Dauerstress, gegen was alles jeder halbwegs interessierte und informierte junge Erwachsene Widerstand leisten muss. Wer will in einer Welt leben, in der Kinder sexualisierter Gewalt zum Opfer fallen? Und haben nicht die vielen Unzufriedenen und Abgehängten, die in gelben Westen oder als Protestwähler den Totalausstieg proben, irgendwie recht? - Vor lauter massenmedialen Gründen und Vorwänden, über was man sich alles aufregen muss, kann es passieren, dass der eigene Standpunkt, die eigene Produktivität, die eigene konstruktive Kraft verwirrt werden und man permanent zu moralischem Empörtsein genötigt wird. Esther Ramsbrock probiert etwas Neues, einen entscheidenden Schritt weiter: nicht nur reagieren, sondern eine eigene, andere Sichtweise postulieren. Wie ein Fanal zeigt ihre Zeichnung eine Grundsituation: einen Menschen und eine weiße Fahne, das Zeichen für Aufgeben, aber auch Zeichen für Abrüsten. Die Fahne ist nicht triumphal nach oben gereckt, sondern sie erscheint regelrecht nachdenklich. Das Bild verkörpert Fragen, es ist auf eine starke und überzeugende Weise offen. Esther Ramsbrock scheint uns einen Perspektivwechsel vorzuschlagen: sich von den verworrenen Umständen nicht verwirren zu lassen, sondern offen zu bleiben und immer wieder Fragen zu stellen.

3. Preis: Joanna-Melissa Crittendon „Impurity Washing“
Die Installation von Joanna-Melissa Crittendon zeigt ein Waschbecken, ein Handtuch und Seifenstücke, also eine Einladung – oder je nachdem – eine Aufforderung, sich zu waschen. Wer aufgefordert wird, sich zu waschen, ist offenbar schmutzig. Das Waschtisch-Arrangement, das uns in einem Hotelzimmer normal erscheinen könnte, irritiert uns in einem öffentlichen Ausstellungsraum. Der Anblick wirkt steril und kalt, die Seifenstücke allerdings sehen nicht klinisch sauber, sondern organisch unregelmäßig aus. Wie alle Seife ist auch diese aus organischen Abfällen hergestellt, allerdings teilt Joanna-Melissa Crittendon mit, dass „deren Inhaltsstoffe meine eigenen Haar- und Hautablagerungen sowie Schweiß und Körperfett beinhalten sowie die üblichen Stoffe, aus denen Kernseife gemacht wird“. Die Wirkung des Ganzen ist ambivalent zwischen Vertrautheit und Sterilität, zwischen Sauberkeit und leisem Ekel. Im Kern leistet die Installation von Joanna-Melissa Crittendon Widerstand dagegen, dass das Weibliche in den Massenmedien heute immer noch einseitig sexualisiert wird, um dann als angeblich Schmutziges eine erhöhte Reinlichkeit für Frauen notwendig zu machen.

 

 

Abbildungen


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